Siehe dazu auch das neu eingerichtete Wiki des CCC ERFA Ulm.
Nachdem das Thema ständig diskutiert wird, ob der Begriff "Stasi 2.0" gerechtfertigt ist, dachte ich, es ist an der Zeit, ein paar Fakten zu vergleichen. Insofern unterscheiden sich die Organe der Bundesrepublik Deutschland von Stasi-Praktiken:
DDR und insbesondere auch Staatssicherheit der DDR | Organe der Bundesrepublik Deutschland | Unterschiede zwischen den beiden |
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Massive Telefonüberwachung | Telefonüberwachung massiv ausgeweitet, wächst sehr schnell | Die Telefonüberwachung in Deutschland darf bisher nicht generell ohne Verdacht sein (Ausnahme: G10-Gesetz für den BND), in der DDR schon. Die Telefonüberwachung in der modernen Bundesrepublik ist aber deutlich einfacher zu machen wegen der fortgeschrittenen Technik. |
Vorratsdatenspeicherung von Verbindungsdaten technisch schlecht möglich; stattdessen manuelle Transscripte. Mühsame personell aufwendige Verfolgung von Bewegungen von Personen (observieren). | Vollständige Vorratsdatenspeicherung aller Daten, wer mit wem telefoniert hat, geplant. Zudem wird bei Mobiltelefonen vollständig aufgezeichnet, welche Person sich wann wohin bewegt hat, solange sie ihr Mobiltelefon dabei hat. | Die DDR konnte derart nicht ihr Volk überwachen, weil es technisch noch nicht handhabbar war. |
Gezielte Tötungen von politischen Gegnern ("Liquidierung"). | Bundesinnenminister Schäuble will über gezielte Tötungen "diskutieren". Außerdem möchte er entführte Passagierflugzeuge abschießen und somit die Passagiere dort gezielt töten dürfen. | Gezielte Tötungen sind in der Bundesrepublik bisher verboten (Ausnahme: "finaler Rettungsschuss", bei dem ein Gewalttäter getötet werden darf, nicht jedoch seine Opfer, wenn er Menschen in Leib und Leben bedroht und keine andere Möglichkeit besteht, die Menschen sonst zu retten). |
Die Stasi folterte. | Bundesinnenminister Schäuble will selber nicht foltern lassen, aber "Ergebnisse" von Geheimdiensten "verwerten", die bekannt dafür sind, selber zu foltern. Die deutschen Behörden stehen derzeit im Verdacht, von der Entführung von Menschen in Deutschland durch die CIA gewusst zu haben, die diese Personen mit dem Ziel der Verbringung in Staaten entführte, wo diese Leute auch höchstwahrscheinlich gefoltert wurden. Darunter war mindestens ein deutscher Staatsbürger. | Folter ist in Deutschland bisher verboten. In der DDR war sie nicht legal, aber gängige Praxis. Die Handhabung durch bundesdeutsche Behördern scheint dieses Verbot nun "aufzuweichen". |
Die DDR hatte ihre Bürger mittels einer Personenkennziffer durchnumeriert | Die Bundesregierung numeriert ihre Bürger seit Juli 2007 ab Geburt mit einer Steuernummer. Sie hat darüber hinaus die Einführung der zentralen Verwaltung aller steuerrelevanten Informationen über alle Bürger beschlossen, incl. sensitiver Daten wie der Religionszugehörigkeit. | Die Vorgehensweise entspricht der Vorgehensweise in der DDR. |
Die Stasi organisierte ein ausgeklügeltes Spitzelsystem. | In der Bundesrepublik wird Videoüberwachung massiv ausgeweitet; dazu kommt die Einführung biometrischer Methoden zur automatisierten Erkennung von Personen (und damit deren Überwachung und Verfolgung). | Das Spitzelsystem der DDR war sehr aufwendig. Sollte die technische Alternative gelingen, hat die Bundesrepublik ein weitaus umfassenderes Überwachungssystem geschaffen. |
Die DDR überwachte den Verkehr mit hohem personellem Aufwand. | Mit Einführung des TollCollect-Systems wurden Mautbrücken an allen relevanten Knotenpunkten im deutschen Autobahnsystem installiert. Diese Mautbrücken dienen allein der zusätzlichen Kontrolle, sie sind für den Betrieb des Mautsystems technisch nicht notwendig. Die Einführung wurde mit dem Mautgesetz begründet, nach dem es verboten ist, dieses Verkehrsüberwachungssystem für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten zu nutzen. Jetzt fordern Politiker wie beispielsweise Innenminister Schäuble, dieses Verbot aufzuheben und die Mautbrücken für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten zu nutzen. | Die DDR hatte die technischen Möglichkeiten für automatisierte Verkehrsüberwachung nicht. Die Bundesrepublik hat ein System installiert. Jetzt soll die Gesetzesgrundlage geschaffen werden, dieses System als solches in Betrieb zu nehmen. |
Die DDR kannte kein Bankgeheimnis. | In der Bundesrepublik ist das Bankgeheimnis mit dem "Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit" de facto abgeschafft worden. | Kein Unterschied mehr. |
In der DDR war es nur mit sehr hohem personellen Aufwand möglich, das Einkommen der Bürger zu überwachen (größtenteils Buchführung auf Papier). | In der Bundesrepublik soll nun eine zentrale Datei für die Einkommensverhältnisse aller Bürger geschaffen werden. | Die Bundesrepublik hätte hiermit ein Überwachungsinstrumentarium an der Hand, das die DDR nicht erreichen konnte. |
In der DDR wurde über einen Großteil der Bürger jeweils von Hand akribisch mit gewaltigem Aufwand eine Akte von der Stasi geführt, in der persönliche Dinge vermerkt sind. | Die Bundesrepublik plant die Zusammenführung der meisten Datenbanken über Verdächtige für Straftaten in eine große Datenbank. Zudem soll die Einkommensdatei zentral auch die Religionszugehörigkeit speichern, die Bilder von Ausweisen in den Einwohnermeldeämtern sowie die Fingerabdrücke der Bürger, die diese dort für die neuen Reisepässe abgegeben haben, sollen zentral abrufbar werden. | Die Stasi-Akten enthalten wesentlich mehr Details über den Einzelnen. Gleichzeitig hat aber die bundesrepublikanische Methode den Vorteil, umfassend und vollständig zu sein mit vergleichsweise wenig Aufwand. |
Die DDR hatte keine obligatorische erkennungsdienstliche Behandlung aller Bürger. | Mit der Einführung des biometrischen Reisepasses kommt die Bundesrepublik dem Ziel sehr nahe, Fingerabdrücke von der gesamten Bevölkerung zu nehmen. Dieses Ziel soll mit der späteren Einführung des biometrischen Personalausweises vervollständigt werden, der darüber hinaus kryptografisch sichere Authentisierung enthalten soll. | Die Bundesrepublik geht hier wesentlich weiter als die DDR. |
Die Stasi sammelte Geruchsproben von Bürgern, um sie durch Hunde identifizierbar zu machen. | In der Bundesrepublik ließ die Bundesanwaltschaft im Vorfeld zum G8-Gipfel ebenfalls Geruchsproben von "Verdächtigen" sammeln, um sie durch Hunde identifizierbar zu machen. | Die Sammlung von Geruchsproben wurde von der Stasi regelmäßig betrieben, von der Bundesanwaltschaft ist erst dieser eine Fall bekannt. |
Die Stasi durchsuchte Wohnungen ohne Wissen der dort Wohnenden ("konspirativ"). Sie verwanzte die Wohnungen auch ohne konkreten Tatverdacht auf Verbrechen ("Lauschangriff"). | Wie die Netzzeitung berichtet, fordert Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann, dass die Polizei heimlich ("konspirativ") Wohnungen durchsuchen darf. Das entspricht genau der Vorgehensweise der Stasi. Darüber hinaus sind in der Bundesrepublik "Online-Durchsuchungen" eingeführt werden, das Einbrechen in Rechnersysteme, das konspirativ vor sich gehen soll. Diese konspirativen Durchsuchungen hat es bereits gegeben, sie wurden aber vom BGH mangels Rechtsgrundlage verboten und daraufhin von Bundesinnenminister Schäuble eingestellt. Herr Schäuble hat aber angekündigt, das Grundgesetz so ändern zu wollen, dass konspirative Durchsuchungen möglich wären. Der Lauschangriff ist ein ständiges Hin- und Her zwischen den Regierungen, die ihn möglichst haben wollen, und dem Verfassungsgericht, das ihn stark eingeschränkt sehen und nur als gut überwachtes Ermittlungsinstrument bei schweren Straftaten wie der organisierten Kriminalität eingesetzt haben möchte. | Kommt die konspirative Wohnungsdruchsuchung, so unterscheidet sich die Bundesrepublik in diesem Punkt nicht mehr von der DDR. Kommt die konspirative Online-Durchsuchung, so ist die Unverletzlichkeit der Wohnung mit der digitalen Methode genauso verletzt wie mit der herkömmlichen. In der DDR gab es noch keine Online-Durchsuchung, weil die Verbreitung von Computern nicht wie heute gegeben war. |